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Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie

Das Erkenntnisobjekt der Wirtschaftsinformatik – betriebliche Informationssysteme – wird ausgehend von divergierenden ontologischen, epistemologischen und methodologischen Basisentscheidungen (und damit Grundannahmen) wissenschaftlich untersucht und gestaltet. In Abhängigkeit von den jeweils gewählten Basisentscheidungen werden in wissenschaftstheoretischen Diskursen paradigmatische Wissenschaftskonzeptionen voneinander abgegrenzt und einander gegenübergestellt (Frank 2007; Zelewski 2011). Die Konkurrenz solcher Ansätze hat eine Fülle wissenschaftstheoretischer Diskussionen gezeitigt. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Auseinandersetzung zwischen Vertretern einer positivistischen Wissenschaftskonzeption und den Anhängern einer konstruktionsorientierten Ausrichtung der Wirtschaftsinformatik. Dabei geht es einerseits um die Betrachtung der genannten Grundannahmen, andererseits um Orientierungen für die Durchführung und Bewertung von Forschungsvorhaben.
Wissenschaftstheoretische Betrachtungen werden von manchen als entbehrliche philosophische Übungen angesehen, die von der eigentlichen Forschung abhalten. Es ist allerdings unstrittig, dass (auch implizite) ontologische und epistemologische Grundannahmen von fundamentaler Bedeutung für die Durchführung von Forschungsvorhaben und die Beurteilung von Forschungsergebnissen sind. Nicht zuletzt empfiehlt die Diskussion über die vermeintliche Erfordernis sog. „empirischer Evaluationen“ gestaltungsorientierter Forschung einen Rückgriff auf entsprechende Diskurse in der Philosophie und Wissenschaftstheorie (Zelewski 2007). Dazu gehört auch die Reflexion des Verhältnisses zwischen Theorie und Praxis sowie die Organisation des Austausches zwischen Wissenschaftlern und Praktikern. Eine anspruchsvolle Diskussion möglicher Forschungsmethoden sowie der mit ihnen verbundenen Basisentscheidungen ist deshalb für die weitere Entwicklung der Disziplin wie auch für die Pflege einer attraktiven Wissenschaftskultur von grundlegender Bedeutung.
Vor diesem Hintergrund ist der Track darauf gerichtet, die Rolle von Wissenschaftstheorie und Philosophie in einem breiteren Kontext zu diskutieren. Wir möchten auf diese Weise eine Plattform für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bieten, die daran interessiert sind, Voraussetzungen und Konsequenzen von Basisentscheidungen, Forschungsparadigmen und -methoden in unserer Disziplin kritisch zu reflektieren. Wir freuen uns nicht nur über Beiträge, die auf eine dediziert wissenschaftstheoretische Betrachtung spezieller Methoden gerichtet sind. Vielmehr sind auch solche Beiträge willkommen, die sich mit praktischen, ethischen und gesellschaftlichen Implikationen unserer Forschung auseinandersetzen. Darüber hinaus schätzen wir Beiträge, die die Organisation wissenschaftlicher Zusammenarbeit und die Verbreitung von Forschungsergebnissen thematisieren. Schließlich sind auch Beiträge willkommen, die auf die Übernahme oder Integration von Methoden aus Nachbardisziplinen, wie etwa der Betriebswirtschaftslehre, der Informatik, der Soziologie oder den Sprachwissenschaften gerichtet sind.

Mögliche Themen

  • Reflexionen zum Erkenntnisobjekt und Forschungsgegenstand der Wirtschaftsinformatik
  • Forschungsmethoden und wissenschaftstheoretische Reflexionen zur Wirtschaftsinformatik
  • Methodenpluralismus und pluralistische Forschungsmethoden
  • Theoriebegriff in der Wirtschaftsinformatik und Theorieentwicklung
  • Gestaltungsorientierte Forschungsmethoden, „Design Science“
  • Hermeneutische Forschungsmethoden (z. B. Fallstudienforschung, „Action Research“)
  • Methoden empirische Forschung behavioristischer Prägung in der Wirtschaftsinformatik
  • Evaluation und Auswahl von Forschungsmethoden
  • Ethische und gesellschaftliche Implikationen der Wirtschaftsinformatikforschung
  • Lehre von Forschungsmethoden
  • Wissenschaftliche Identität der Wirtschaftsinformatik im Lichte der Diskussion um sog. „Referenzdisziplinen“
  • Konstruktion und Evaluation von Methoden
  • Grundbegriffe der Wirtschaftsinformatik (z.B. Modellbegriff, Methodenbegriff)

Frank, U. (2007). »Ein Vorschlag zur Konfiguration von Forschungsmethoden in der Wirtschaftsinformatik«. In: Wissenschaftstheoretische Fundierung und wissenschaftliche Orientierung der Wirtschaftsinformatik. Hrsg. von F. Lehner und S. Zelewski. Berlin: GITO, S. 158–185.

Zelewski, S. (2007): »Kann Wissenschaftstheorie behilflich für die Publikationspraxis sein?« In: Wissenschaftstheoretische Fundierung und wissenschaftliche Orientierung der Wirtschaftsinformatik. Hrsg. von F. Lehner und S. Zelewski. Berlin: GITO, S. 71-120.

Zelewski, S. (2011). »Wissenschaftstheorie«. In: Gronau N., Becker J., Kurbel K., Sinz E., Suhl, L.: (Hrsg.) Enzyklopädie der Wirtschaftsinformatik: Online-Lexikon. München: Oldenbourg. http://www.enzyklopaedie-der-wirtschaftsinformatik.de/lexikon/uebergreifendes/Forschung-in-WI/Wissenschaftstheorie



Track Chairs

Strecker
Prof. Dr. Stefan Strecker
Enterprise Modelling Research Group Chair of Information Systems Development, University of Hagen, Germany
Becker
Prof. Dr. Dr. h.c. Dr. h.c. Jörg Becker
ERCIS - European Research Center for Information Systems, Institut für Wirtschaftsinformatik, Westfälische Wilhelms-Universität Münster

Track Chairs kontaktieren

Associate Editors

Sabine Matook, University of Queensland, Australien
Verena Nitsch, Universität der Bundeswehr München
Ingo J. Timm, Universität Trier - Lehrstuhl für Wirtschaftsinformatik I

Track 11 - Session 1

Forschungsmethoden und Wissenschaftstheorie / Research Methods and Philosophy of Science

15.02.2017, 11:00-12:30, Raum: 01-110


Session Chair: Jörg Becker und Stefan Strecker

Alexander Keller: How to Gauge the Relevance of Codes in Qualitative Data Analysis? - A Technique Based on Information Retrieval

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Thomas Friedrich; Sebastian Schlauderer; Julian Weidinger; Maximilian Raab: On the Research Paradigms and Research Methods Employed in the BISE Journal - A Ten-Year Update

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